Das Sommerloch

01.09.2016 09:00 von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Wie jedes Jahr stellt das Sommerloch eine besondere Herausforderung für die Medienlandschaft dar. Worüber soll man berichten, wenn die halbe Bevölkerung Deutschlands auf Reisen ist und die Kapriolen unserer Politiker wegen der Sommerpause des Bundestages plötzlich ausbleiben. Aber immerhin hat die Europameisterschaft im Fußball und die Olympiade noch für genügend Gesprächsstoff gesorgt. Ingo Nöhr und sein Kumpel halten eine kurze Rückschau auf diese Periode und finden ein paar bemerkenswerte Ereignisse, über die sie beim monatlichen Stammtisch reden können.

Na, Jupp. Hast du dich für den Krisenfall schon ausreichend mit Vorräten versorgt? 10 Liter Wasser pro Privatperson für fünf Tage werden vom Innenminister veranschlagt. Pro Bett im Krankenhaus sollten 75 Liter pro Tag bereitstehen, bei Intensivstationen des Doppelte. Da haste ganz schön viel zu schleppen und zu stapeln. Überlege mal die Belastung eines 1000 Betten Krankenhauses mit 20 Intensivbetten. Da hast für eine Reserve von 14 Tagen allein über 10.000 Tonnen Wasser zu bunkern.

  • Ach Ingo, da bauen wir einfach einen Swimmingpool und fertig ist die Sache. Viel mehr Sorgen macht mir die Abschätzung, wie es im Krisenfall mit der Bierversorgung aussehen wird. Welche Mengen sollte ich hierfür anlegen. Und überhaupt, wie lange wird denn so eine Krise dauern?

Entscheidend ist ja, was für eine Krise vorliegt. Unsere bisherige Sicherheitsarchitektur stammt ja noch aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Konzeptplanung wurde vor 14 Jahren begonnen, nachdem gerade das World Trade Center in New York angegriffen worden war. Daher umfasst der Katalog hauptsächlich Krisen- und Katastrophenfälle, die ausgelöst durch Cyberangriffe, Terroranschläge oder Attacken auf die Energie- und Wasserversorgung werden. Aber auch kriegerische Auseinandersetzungen, ein großflächiger Stromausfall, eine Pandemie oder ein Terroranschlag mit großflächiger Freisetzung radioaktiver Strahlung werden aufgeführt. Das kann dann ein bisschen länger dauern. Da kannst du deinen Hunger nicht nur mit Bier und Wasser bekämpfen.

  • Ingo, da mache ich mir keine Sorgen. Ich kenne eine Menge Bauern in meiner Nachbarschaft, die werden mich schon durchfüttern. Schließlich haben die schon immer Krisen am besten überlebt.

Wenn du dich da mal nicht täuschst, lieber Jupp. Es gibt schon einen Gesetzesentwurf, der im Katastrophenfall eine Beschlagnahme von Bauernhöfen und Lebensmittelbetrieben vorsieht, damit allen Menschen Nahrungsmittel zugeteilt werden können.

  • Es wird ja noch schlimmer. Der Staat will dann die Wehrpflicht wiedereinführen. Die Bundeswehr wird zur Nationalgarde. Den Einberufungsbescheid soll dann jeder per Brief bekommen. Das ist doch sehr beruhigend, oder? Auch wenn alles am Boden liegt, - unsere Post wird weiterhin zuverlässig funktionieren.

Ich möchte mal sehen, wie eine Evakuierung aussehen wird, wenn mal eins der maroden Atomkraftwerke bei uns oder in den Nachbarländern hochgeht. Oder stell dir mal vor, ein Vulkan in der Eifel bricht wieder aus. Aber die Regierung ist zuversichtlich, dass unsere Krankenhäuser die medizinische Versorgung der Bevölkerung nach einer eingehenden Risikoanalyse und mithilfe des „Handbuches zur Krankenhausalarm- und -einsatzplanung“ bewältigen wird.

  • Ja, Ingo, da waren mal wieder unsere akademischen Planer vom Grünen Tisch am Werk. Sie täuschen Bewegung in der Politik vor, indem sie schneller als sonst auf der Stelle treten. Schon Hermann Hesse hat vor über fünfzig Jahren festgestellt: „Heute liegt die politische Vernunft nicht mehr dort, wo die politische Macht liegt.“

Wahre Worte, Jupp. Das erinnert mich an die unseligen Doping- und Korruptionsaffären bei der aktuellen Olympiade. Angeblich haben die Brasilianer in den letzten Wochen vor den Wettkämpfen überhaupt keine Dopingkontrollen mehr durchgeführt. Bei den Nachtests der Urinproben, gezogen bei den beiden letzten Spielen in Peking und London, wurden allein bei 46 Gewichthebern Dopingmittel gefunden. Es wäre besser, man gibt Doping allgemein frei und führt zwei getrennte Spiele mit eigenen Weltrekordlisten: die Olympiade der gedopten und die der ungedopten Teilnehmer. Dann gäbe es neben den Paralympics auch die Dopolympics. Übrigens, was ist aus dem Zika-Virus geworden, der beinahe die Spiele in Rio verhindert hätte?

  • Oh, er wurde natürlich rechtzeitig vor den Olympischen Spielen in Brasilien ausgerottet. Tausende von Soldaten werden wohl jede einzelne Mücke eingefangen haben. Dafür taucht Zika jetzt in Puerto Rico, in Florida, Texas, Singapur und Spanien auf. Aber sag mal, Ingo. Findest Du nicht auch, dass der Burkini plötzlich eine ganz neue Bedeutung erhalten könnte. Nämlich als Schutz gegen Mückenstiche anstelle gegen geile Männerblicke.

Klar, die französischen Richter vom Staatsrat haben durch die Aufhebung des Burkini-Verbotes sicherlich was Gutes bewirkt. Wie hätten wir denn sonst mit unseren verschleierten Nonnen verfahren sollen? Und den Tauchern ganz zu schweigen? Op-Personal ohne Ganzkörpervermummung? Das ist doch undenkbar. So haben die Franzosen unsere Politiker aus einer peinlichen Verirrung befreit. Wie hätte man das auch dem Papst beibringen sollen? Nonnen beim Baden im Bikini.

  • Apropos Papst Franziskus. Mark Zuckerberg hatte gerade eine Privataudienz bei ihm und hat ihm eine solarbetriebene Drohne geschenkt. Damit will er in entlegenen Gegenden den Internetzugang ermöglichen, und natürlich auch Facebook und WhatsApp. Und weil der wohltätige Multimilliardär gerade in Spenderlaune war, hat er versprochen, seine gesamten Einnahmen aus der Facebook-Beteiligung im Laufe des Lebens zu spenden.

Ingo, wie sich amerikanische Businessfirmen arm rechnen können, hat doch gerade Apple in Irland demonstriert. 2014 zahlte Apple gerade mal 50 Euro Steuern pro 1 Million Euro Gewinn. Nun müssen sie 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen. Juckt aber nicht bei ihren Finanzreserven von 200 Milliarden Euro.

  • Jetzt sind die Amerikaner sauer, schreien was von unfairer Behandlung und drohen der EU mit Vergeltung. Sie glauben an eine Retourkutsche für das harte Vorgehen beim VW-Betrug. Ja, wenn damals schon das TTIP-Abkommen unterschrieben worden wäre, dann könnte Apple die EU vor einem privaten Schiedsgericht wegen Geschäftsschädigung verklagen. Aber nun erwarten die Amerikaner nichts mehr von TTIP. Sie setzen lieber auf das CETA-Abkommen. Dann regeln sie eben alles über ihre Niederlassungen in Kanada.

Klar, Ingo. Sigmar Gabriel hat TTIP noch schnell für gescheitert erklärt und die Franzosen haben auch keine Lust mehr zu verhandeln. Aber das CETA-Abkommen, welches ein wundervoller Ersatz für TTIP sein könnte, ist jetzt auch gefährdet. Trotz des unermüdlichen Einsatzes des besagten Gabriel haben 125.000 CETA-Gegner eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Da droht wohl gerade eine geheime Strategie zu scheitern.

  • James Reston hat mal festgestellt: „Jede Politik basiert auf der Gleichgültigkeit der Mehrheit.“ Das hat beim Brexit noch funktioniert, wo die betroffene Jugend einfach nicht gewählt hat. Aber die Zeiten scheinen sich geändert zu haben. Die frustrierte Mehrheit wacht langsam auf und formiert sich. Die AfD könnte in Mecklenburg-Vorpommern zur zweitstärksten Partei aufsteigen. Die Terrorattacken und Amokläufe zeigen Wirkung und verunsichern zunehmend die Menschen. Sie suchen einfache Lösungen.

Und flüchten in überschaubare Welten. Nimm nur mal den Pokemon-Go Hype. In den ersten Wochen wurde die App 75 Millionen mal heruntergeladen, darunter von 10 Millionen Deutschen. Du läufst durch die Realität, siehst auf deinem Smartphone in der Landschaft ein virtuelles Wesen, was dich anstiert. Anvisieren und plopp – eingefangen. So einfach ist jetzt die Welt zu beherrschen.

  • Wo wird das hinführen? Bald hat jeder eine rosarote Brille auf und alles, was ihn im Blickfeld stört, kann er einfach abschießen – und weg ist es.

Ja, mein lieber Ingo. Das wäre doch das schönste Spielzeug für einen Optimisten, nicht wahr? Und nebenbei angemerkt: Könntest du nicht mal auf dein Smartphone schauen, ob bei unserem Wirt auch so ein Pokemon auf der Theke sitzt? Dann bringt er vielleicht noch zwei Bier vorbei?

  • Aber gern, mein lieber Jupp. Aber das funktioniert bei mir noch ohne virtuelle Realität. Und was deine despektierliche Bemerkung über meine ungebrochene Lebensfreude angeht, lass dir eins gesagt sein: Wenn es den Optimisten nicht gäbe, würde der Pessimist gar nicht wissen, wie glücklich er nicht ist.

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