Entwurf der Europäischen Kommission zur Revision der Medizinprodukte-Richtlinien

26.09.2012 21:06 von Rudi Wuttke

Regelungen zur Wirksamkeit und Sicherheit bleiben unzureichend

Die Europäische Kommission hat als Folge der Skandale mit Brust- und Hüftprothesen am 26. September 2012 mehrere Vorschläge zur Revision der Europäischen Richtlinien für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika vorgelegt. Es ist nur zu hoffen, dass die bisherigen Entwürfe im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch das europäische Parlament wesentlich ergänzt und verbessert werden.

Nach den vollmundigen Ankündigungen der Kommission sollen dieneuen Vorschriften dafür sorgen, dass Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe in den Genuss sicherer, wirksamer und innovativer Medizinprodukte kommen. Auch folgt gleich der Hinweis, dass die Medizinproduktebranche besonders in Europa in hohem Maße innovativ ist und ein geschätztes Marktvolumen von etwa 95 Mrd. EUR hat. Ausgerechnet der eigentlich für Gesundheit und Verbraucher zuständige Kommissar John Dalli versucht sich auch wohl deshalb an einem Spagat zwischen Patientenschutz und Industrieinteressen: „Mit den heute angenommenen Vorschlägen werden die Kontrollen erheblich verschärft, so dass nur sichere Produkte auf den EU-Markt gelangen können. Gleichzeitig fördern sie die Innovation und tragen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Medizinproduktebranche bei.“
Einerseits sollen alle Produkte in Zukunft zwar einer gründlichen Sicherheits- und Leistungsbewertung unterzogen und die Kontrollverfahren drastisch verschärft werden, andererseits aber sollen europäische Patienten auch raschen Zugang zu innovativen, kostengünstigen Produkten erhalten. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe sollen zudem besser über den Nutzen für die Patienten, die Restrisiken und das allgemeine Nutzen-Risiko-Verhältnis informiert werden. Gleichzeitig sollen die Hersteller von eindeutigeren Vorschriften und einheitlichen Voraussetzungen profitieren.
Folgende Regelungen werden u.a. vorgeschlagen:
 
- Der Geltungsbereich der EU-Rechtsvorschriften soll breiter und klarer abgegrenzt werden, beispielsweise auf Implantate für kosmetische Zwecke ausgedehnt und hinsichtlich Medizin-Software deutlicher gefasst werden.
 
- Die Aufsicht über die benannten Stellen durch die nationalen Behörden soll strenger gehandhabt werden.
 
- Die benanten Stellen ihrerseits sollen mehr Befugnisse und Verpflichtungen für Überprüfungen der Hersteller erhalten, einschließlich unangekündigter Fabrikinspektionen und Stichprobentests.
 
- Die EU-Datenbank für Medizinprodukte soll ergänzt und mit umfassenden Informationen über Produkte öffentlich zugänglich gemacht werden.
 
- Die Rückverfolgbarkeit der Produkte soll über die gesamte Lieferkette hinweg verbessert werden, um eine umgehende wirksame Reaktion auf Sicherheitsprobleme zu ermöglichen. Auch soll ein System mit eindeutigen Produktnummern eingeführt werden, um die Sicherheit der Medizin­produkte auch nach dem Inverkehrbringen zu gewährleisten und Fälschungen zu bekämpfen.
 
- Die Anforderungen an klinische Nachweise sollen strenger werden, um die Sicherheit der Patienten und Verbraucher sicherzustellen.
 
Anmerkung: Es bleibt noch viel zu tun: Die bisher vorliegenden Regelungen sind nicht ausreichend, um die angekündigten hohen Ziele zu erreichen. Zwar gibt es durchaus Ansätze für Verbesserungen, wie etwa bei der Kennzeichnung und bei den Produktinformationen, sie können aber drängende Taten bei der Zertifizierung/Zulassung der Produkte nicht ersetzen. Die Probleme bei der CE-Kennzeichnung mit etwa 80 benannten Stellen können auch durch die von der Kommission vorgeschlagene Einschaltung einer Expertenkommission nicht wirklich behoben werden. Spannendste Frage dürfte sein, ob sich das Europäische Parlament noch mit seiner früheren Forderung nach einer staatlichen Zulassung für Medizinprodukte der Hochrisikoklassen durchsetzen wird.
 
Revision of the medical device directives
http://ec.europa.eu/health/medical-devices/documents/revision/index_en.htm
 
Pressemitteilung
der Europäischen Kommission vom 26. September 2012
http://ec.europa.eu/health/medical-devices/files/revision_docs/pr_20120926_en.pdf

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